
Welt-Autismus-Tag 2025
Wo sind sie – die Mädchen und Frauen im Autismus Spektrum?
Neurodiversität versus Diagnose
Appell des Vereins nomaden zum Welt-Autismus-Tag am 2. April 2025: die Sichtbarkeit von Mädchen und Frauen mit Autismus-Spektrum-Störungen muss dringend erhöht werden - eine Diagnose kann helfen viel Leid zu ersparen. Von unserem Wunsch nach einer neurodiversen Gesellschaft, in der jede Art der Wahrnehmung gleich viel wert ist, sind wir noch weit entfernt.
Spannend war dieser Nachmittag am 29. November 2024, als viele Fachleute und Betroffene zusammenkamen, um sich anlässlich unseres Jubiläums über das Thema „Mädchen und Frauen im Autismus Spektrum“ zu informieren und zu diskutieren. Sehr überraschend für uns als Verein nomaden, die Veranstalterinnen dieses Nachmittags, wie viele Frauen im Autismus Spektrum sich zu Wort gemeldet haben und von ihrem langen, oft sehr schweren Leidensweg bis zur Diagnose berichteten.
Immer noch werden Mädchen und Frauen im Autismus Spektrum in Österreich übersehen. Die Diagnose bei Frauen wird im Schnitt 7-11 Jahre später als bei Männern gestellt (s.a. Breddemann, A. et al., 2023).
Wie hoch der Anteil von Frauen im Autismus Spektrum ist, ist noch nicht geklärt. Auch nicht, wie es um ihre psychische Gesundheit steht oder wie groß die Gefahr ist in schwierige Lebenssituationen zu kommen.
Der noch immer männlich geprägte Blick auf die Welt ist auch in der Psychologie, Psychiatrie und Medizin oft ein „blinder Fleck“ und führt dazu, dass vor allem Frauen im Autismus Spektrum häufig eine lange Leidensgeschichte mit einer Vielzahl an Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen und auch fehlender Unterstützung erleiden.
„Mädchen fallen oft durch die Diagnostik, weil sie so gut darin sind, ihre Symptome zu verstecken oder zu überspielen. Jungen tragen ihre Probleme nach aussen, während Mädchen lernen, dass wenn sie in ihrer Rolle gut sind, ihr Anderssein nicht bemerkt wird“ (Tony Attwood, 2007).
Als „typisch weiblich“ werden Schüchternheit, Ängste, Überlastung, Nervosität abgetan und daher nicht erkannt. Die von Frauen oft so hohe soziale Motivation und guten adaptiven Fähigkeiten - ihr „maskieren“ in vielen Situationen führt teilweise dazu, dass das engste Umfeld nicht einmal etwas von der autistischen Wahrnehmung weiß und sie selbst nicht verstehen, warum sie der „normale“ Alltag so anstrengt.
So gesehen lässt sich erklären warum an diesem Tag im November alle Wortmeldungen „pro Diagnose“ waren. Es fielen Sätze wie „Die Autismus-Diagnose hat mich gerettet“, oder „die Diagnose war eine Erlösung“. Diese sehr positiven Reaktionen auf die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (laut ICD-11), hat sogar uns als Fachleute überrascht, die wir wissen wie wichtig wissenschaftlich erhobene Diagnosekriterien und Definitionen sind, um mehr Klarheit über Fakten zu erhalten.
Aber wo bleibt die Neurodiversität, von der wir so viel hören und lesen?
Wir sind alle Individuen, aber unsere Gesellschaft ist noch lange nicht bereit damit umgehen zu können. Weder im privaten Umfeld noch in den Strukturen der Gesellschaft ist Neurodiversität derzeit lebbar. Leider brauchen wir daher noch „Diagnosen“, damit die Gesellschaft Verschiedenartigkeit akzeptierten kann und Unterstützung bereitstellt.
So klar wie an diesem Nachmittag wurde uns noch selten vor Augen geführt, dass Diagnosen wichtig sind und helfen können, zu entlasten und dass dennoch Neurodiversität unser gemeinsames Ziel bleiben muss.
Große Leseempfehlung: „Die Autistinnen“ von Clara Törnvall.
Neuerscheinung: „Die Welt autistischer Frauen und Mädchen“ von Manon Mannherz, Ismene Ditrich, Christa Koentges
Text: Mag.a Johanna Kienzl, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Obfrau und fachl. Leitung Verein nomaden
Kontakt für Presse: koller@nomaden.at Mag.a Sarah Koller, operative Leitung Verein nomaden.
Grafik: © Simone Dueller Autistin und aktiv auf Instagram: @simone_du_elle
Presse
01.04.2025: STUDIO 2 - Talk: Psychologin zum Welt-Autismus-Tag
https://on.orf.at/video/14269855/15853377/talk-psychologin-zum-welt-autismus-tag